Endodontie
Wurzelkanalbehandlungen
Gelingt es Mundhöhlenbakterien in den Markraum des Zahnes einzudringen, wird der Zahnnerv über kurz oder lang absterben. Der weitere Verlauf dieser Entzündung ist von einer Fülle von Faktoren abhängig, eine Ausweitung über die Wurzelspitze oder Nervseitenkanäle ins umliegende Gewebe wahrscheinlich. Entzündungen des umliegenden Knochens, Wurzelauflösung bis hin zu schweren Kieferabszessen oder sogar lebensbedrohlichen Phlegmonen (Weichteilvereiterungen) sind mögliche Folgen.
Diese Prozesse sind im Regelfalle mit einem hohen Leidensdruck verbunden, obwohl aber auch hier im Vergleich zum Menschen die hohe Schmerztoleranz der Tiere auffällt.
Die Endodontie als Teildisziplin der Konservierenden Zahnheilkunde befasst sich mit den Möglichkeiten der Erhaltung dieser Zähne durch Wurzelkanalaufbereitung und -füllung, da letztendlich nur über die Entfernung des zerstörten Zahnmarkes eine Ausheilung dieser Entzündung um den Wurzelspitzenbereich und damit die Erhaltung des Zahnes versucht werden kann.
Während beim Menschen oftmals Karies die eigentliche Ursache darstellt, sind durch mechanische Überlastungen abgebrochene Zähne bei Hund und Katze die häufigsten Ursachen für eine Pulpitis. Die anatomische Lage der einzelnen Zähne sowie Belastungen derselben (Schutzdienst, Gebrauchshunde, Unfall etc.) spielen hier eine entscheidende Rolle. Die beim Hund nicht selten auftretenden chronischen Abszeß- und Fistelbildungen und massiven Schwellungen unterhalb des Auges hängen in vielen Fällen mit frakturbedingten Wurzelkanalentzündungen im Bereich des P4 im Oberkiefer (Reißzahn) zusammen (Slabfracture).
Eine frisch eröffnet Nervhöhle erkennt man manchmal an einem roten Punkt oder sogar punktuellem Blutaustritt am abgebrochenen Zahn. Bei älteren Frakturen ist der Zahnnerv allerdings meist bereits abgestorben und der Punkt an der Bruchstelle sieht dann braun oder schwarz aus.
Bereits eine Zahnabsplitterung ohne Eröffnung des Nerven kann diesen derart beeinträchtigen, dass er abstirbt. Zahnfrakturen beim Hund führen aufgrund der im Vergleich zum Menschen deutlich geringen Schmelzdicke (<0,1 - 0,6 vs. 1-1,2 mm) mindestens zu einer Dentinwunde. Nach Absplittern von Zahnschmelz liegen somit kleinste Kanälchen des darunter befindlichen Dentins frei, welche Keimen aus der Maulhöhle das Eindringen in den Zahnnerven ermöglichen. Kombinationen parodontaler und endodontischer Defekte und auch bereits mit Füllungen versorgte Zähne sind weitere mögliche Eintrittspforten für Bakterien, da beispielsweise auch ein Präparationstrauma oder chemische Noxen der Füllungsmaterialien destruktiv wirken können. Erinnert sei hier nochmals an das m.E. zwingend erforderliche Nachröntgen nach dem Legen tiefer, nervnaher Füllungen oder Vitalamputationen!!
Wurzelkanalbehandlungen sind aufwändig. Es sollte m.E. kritisch abgewogen werden, ob Aufwand und Nutzen des angestrebten Zahnerhaltes zueinander in Relation stehen. Canini und beim Hund P4/M1 sollten je nach Ausgangslage (Längs- oder Querfraktur, Ausmaß der Beherdung und späterer Versorgungsmöglichkeit (noch Füllung oder schon Krone) aus funktionellen Gründen eher erhalten werden, während andererseits ein extrahierter Schneidezahn oder vorderer Prämolar eher den Tierbesitzer als den vierbeinigen Patienten beeinträchtigt.
Die Anfertigung einer (dentalen) Röntgenaufnahme gleich zu Behandlungsbeginn ist zur Beurteilung des Zahnes, insbesondere des Wurzelspitzenbereiches sinnvoll. In einigen Fällen wird eine Zahnerhaltung um jeden Preis nicht realistisch und eine Extraktion bzw. chirurgische Entfernung des Zahnes die für alle Beteiligten deutlich schnellere und bessere Lösung sein, obwohl dieses natürlich auch wieder andere Nachteile mit sich bringt: Neben der im Regelfalle irreversibelen Schwächung knöcherner Strukturen im Rahmen chirurgischer Maßnahmen kann beispielsweise ein fehlender Unterkiefereckzahn zum Heraushängen und Austrocknen der Zunge führen, bei einem fehlender Oberkiefercaninus ist ein Einbeißen des Antagonisten in die Oberlippe mit granulomatösen Veränderungen des Einbisses möglich.
Im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung wird die erkrankte Pulpa mit geeigneten Instrumenten entfernt und der Kanal (chemo)mechanisch in seiner gesamten Länge (Röntgenmeßaufnahme) aufbereitet, wozu mittlerweile eine Vielzahl von Hand- oder auch maschinell angetriebenen Systemen existieren. Parallel dazu werden verschiedene Spüllösungen verwendet, überwiegend Na-Hypochlorid in verschiedenen Konzentrationen und Temperaturen, Wasserstoffperoxid, EDTA oder auch Citronensäure sowie auch chlorhexidinhaltige Lösungen. (sgn. Spülprotokoll in Abhängigkeit vom Ausmaß und Art der bakteriellen Besiedlung etc.) Nach möglichst kompletter Aufbereitung wird der trockengelegte Wurzelkanal nun je nach Ausgangslage entweder zunächst medikamentell versorgt oder beispielsweise mittels einer geeigneten Wurzelfüllpaste (Sealer),im Kombination mit (Guttapercha/Kautschuk) dicht und wandständig abgefüllt. Auch hierbei gibt es diverse Verfahren, Kondensationstechniken etc. . Abschließend erfolgt der definitive konservative Verschluß des Zahnes mit Füllungsmaterial oder später die Versorgung mit einer (Stift)Krone.
Die Erfolgsquote in der Endodontie wird ja nach Quelle zwischen 60 und 80 % angegeben, die behandelten Zähne sollten ggf. nach einer gewissen Zeit mittels einer erneuten Röntgenaufnahme überprüft werden. Stellen sich periapikale Veränderungen ein oder der Zahn fistelt, kann entweder noch der chirurgische Zahnerhalt per Wurzelspitzenresektion mit oder ohne retrograde Wurzelfüllung erfolgen bzw. der Zahn sollte dann doch extrahiert werden. Cave: Länsfraktur/Spalt
weiterlesen