Die jeweiligen Rassestandarts definieren die jeweils angestrebte „Normalverzahnung“ und helfen bei der Beurteilung der jeweiligen Gebißsituation.
Rein ästhetische Beweggründe rechtfertigen keine tierärztlich kieferorthopädischen Eingriffe. Wenn jedoch Zahnfehlstellungen zu Selbstverletzungen mit möglichen Folgeschäden führen wie beim Steilstand eines unteren Fangzahnes (Einbiß in den Gaumen), sollte man durch geeignete Korrekturmaßnahmen rechtzeitig eingreifen, wobei das Therapieziel in diesen Fällen auf Beschwerde- und Schmerzfreiheit ausgelegt ist und letztendlich eine funktionsfähige Verzahnung angestrebt wird.
Schon ein geringgradiger Einbiß im Gegenkiefer verursacht Schmerzhaftigkeit und Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bis hin zur Futterverweigerung. Im weiteren Verlauf ist die Ausbildung einer oronasalen Fistel des harten Gaumens, einer blutig-eitrigen Verbindung zwischen Mund- und Nasenhöhle möglich, bei der Gaumenschleimhaut und Oberkieferknochen aufgrund der stetigen Fehlbelastung punktuell zerstört werden. Derartige hochgradige Veränderungen können dann nur noch umfassend chirurgisch, häufig auch unter Verlust von Zähnen, therapiert werden. Diese Veränderungen sind immer äußerst schmerzhaft und beeinträchtigen das Allgemeinbefinden des Tieres in erheblichem Maße.
Kieferorthopädische Probleme sind bereits in den ersten Lebensmonaten diagnostizier- und therapierbar. Eine häufige Ursache für Fangzahnprobleme sind persistierende (nicht regulär ausfallende) Milcheckzähne. Sobald der bleibende Zahn durchgebrochen ist, sollte ein persistierender Milchzahn entfernt werden, da der bleibende Zahn dann möglicherweise noch aus eigener Kraft in seine physiologische Stellung wandert.
Geeignete kieferorthopädische Geräte bzw. Kombinationen derselben (z.B. Dehnschrauben, Aufbißplatten/-schienen, Aufbißflügel) können die oben geschilderten Komplikationen verhindern und je nach Schweregrad eine funktionsfähige oder auch Normalverzahnung herstellen. Aufbißschienen können in Metall (mit Abdrucknahme) oder in einer Sitzung (ohne Abdrucknahme) mit einem Spezialkunststoff direkt individuell angefertigt werden. Gesundheitsrelevante Einzelzahnfehlstellungen, Kulissenstand oder Kreuzbiß können mit KFO-Platten, Lingual- oder Labialbögen sowie mittels aktivierbaren Regulierungselementen korrigiert werden.
In schwerwiegenden Fällen, in denen eine kieferorthopädische Regulation nicht mehr erfolgen kann, sind die Kürzung des Zahnes mit Wurzelkanalbehandlung und anschließender Füllung oder auch die Entfernung störender Zähne letzte Mittel der Wahl.
Je nach Ausgangssituatiun und Gerätewahl ist in den meisten Fällen die aktive Mitarbeit des Tierbesitzers wichtig, da aktive kieferorthopädische Apparaturen in der Mundhöhle nachgestellt oder elastische Elemente (Powerchains) spätestens nach Verlust der Elastizität getauscht werden müssen, um das gesteckte Therapieziel zu erreichen. Regelmäßige Kontrollen sind zur Beurteilung des Therapieverlaufes und ggf. Wartung der Behandlungsgeräte unabdingbar. Festsitzende Apparaturen wie schiefe Ebenen bedingen oftmals eine Zahnfleischreizung und müssen ggf. vorübergehend entfernt werden, um nach Ausheilung der betroffenen Schleimhautareale das Therapieziel weiter verfolgen zu können.